Auf Römerspuren im Umstädter Land

1991 stießen Bauarbeiter beim Anlegen eines Rückhaltebeckens in der Wächtersbach auf die Reste eines Brandgrabes aus der Römerzeit. Der Fund wurde durch den Kreisdenkmalpfleger Dr. Prüssing geborgen und wissenschaftlich bearbeitet. Wieder waren damit Spuren römischer Siedlungstätigkeit im Umstädter Raum aufgetaucht. Schon 1987 hatte ein am Bruchweg ausgebaggerter römischer Steinsarkophag Aufmerksamkeit erregt. 1968 hatte man bei der Renovierung der evangelischen Stadtkirche am Marktplatz römische Baureste entdeckt. Ergänzend konnten im Laufe der Jahre durch gezielte Suche und Zufallsentdeckungen, eine Vielzahl weiterer Fundstellen auf Ackergelände oder in den Wäldern lokalisiert werden.
Wie stellen sich diese Spuren nun dar. Ganz offensichtlich ist ja über der Erde nichts nennenswertes mehr erhalten. Der Zahn der Zeit, und vor allem die Tätigkeit des Menschen über die Jahrhunderte hinweg, haben hier ganze Arbeit geleistet. Kaum vorstellbar, dass ein römischer Gutshof bestehend aus Haupt-, Nebengebäuden, Scheunen, Speichern und einer soliden, steinernen Umfassungsmauer sich heute als ein sauber gepflügter und geeggter Acker darstellt, dem man seine Vergangenheit auf den ersten Blick nicht mehr ansieht. Und doch erkennt das geübte Auge die Spuren seiner vergangenen Zeit. Zwar sind die Hausteine des Mauerwerks längst abgetragen und anderweitig verbaut und durch jahrhundertelanges Pflügen auch die letzten Fundamentreste ausgeräumt, trotzdem finden sich noch Reststücke.

Fragmente der typischen römischen Dachziegel, Estrichstücke, bemalter Wandputz, handgeschmiedete Nägel und natürlich Keramik. Auch ein Münzfund kann nicht ausgeschlossen werden. Schon eine Plastiktüte kleiner oben beschriebener „Lesefunde“, oft das Ergebnis einer gezielten Suche die man als Flurbegehung bezeichnet, kann eine Menge Informationen über die Fundstelle liefern.
Die Keramik erlaubt die Datierung, dahingehend wirkungsvoll natürlich der Fund einer Münze, die eingeordnet werden kann, da meist ein Kaiserbildnis eingeprägt ist, und deren Herrscherjahre exakt bekannt sind.
Dachziegelfunde deuten an, dass zumindest eines oder mehrere Gebäude eine Ziegeldeckung hatten. Funde besseren römischen Geschirrs „terra sigillata“ (so genannte gestempelte Ware), deuten auf eine gewisse Wohlhabenheit der ehemaligen Eigentümer hin. Mit Glück kann durch ausgepflügte Steinkonzentrationen im Acker sogar noch ein Gebäude oder ein Teil einer Mauer erfasst werden. Fundstücke allein sind nicht aussagekräftig. Der Finder braucht ein wenig Hintergrundwissen und etwas Geschichtsverständnis um die entdeckten Relikte in das Gesamtspektrum unserer römischen Vergangenheit einzubinden.

Wer waren überhaupt die Römer und wie kamen sie her zu uns? Natürlich kennt jeder solche Sandalenfilme wie Ben Hur, Qou Vadis, Kampf um Rom und manchen anderen Streifen. Auch durch die Comic Serie Asterix und die Römer, wenn auch in diesem Fall auf eine meist unrühmliche Weise – Obelix gesammelte Kollektion an römischen Soldatenhelmen legen beredtes Zeugnis davon ab – bekannt geworden.
Doch beruhen diese Comics auf historischen Tatsachen. 50 vor Chr. erobert der römische Feldherr und Staatsmann „Julius Cäsar“ Galien, das heutige Frankreich, Belgien und die Westschweiz, für das römische Imperium. Der Rhein wird Grenze und Rom gerät in Kontakt mir rechts des Rheines siedelnden germanischen Stämmen. Ganz im Sinne imperialer Politik plant Cäsars Nachfolger, Kaiser Augustus, diese Gebiete zu besetzen und die Elbe zur neuen Reichsgrenze zu machen.

Doch die germanischen Stämme sind schwer beherrschbar, das Land ist unzugänglich. Dicht bewaldete Mittelgebirge, Sümpfe, kaum Wege, bestenfalls Saumpfade erlauben nicht den römischen Militärkoloss, die damals modernste und am besten ausgebildestete Armee der Welt, zur Entfaltung zu bringen. So kommt es zu keiner erfolgreichen, flächendeckenden Beherrschung Germaniens.
In krasser Fehleinschätzung der Lage wird „Publius Quintillus Varus“, ein Verwandter des Kaiserhauses und eher Verwaltungsfachmann als Militär, Stadthalter Roms in Germanien. Seine Aufgabe soll es sein, nun nach erfolgter militärischer Sicherung, eine römische Verwaltung aufzubauen, Recht zu sprechen und natürlich, Eroberungen mussten auch damals um erfolgreich zu sein mehr einbringen als sie gekostet hatten, Steuern einzutreiben. Dieser Versuch endet in einer Katastrophe. Mit drei Legionen in einen Hinterhalt gelockt endet Varus‘ Karriere und das Leben von 20.000 seiner Soldaten in den germanischen Wäldern. Damit war das Kapitel Germanien erst einmal beendet, der Rhein wurde auf Jahrzehnte wieder Grenze. Die Eroberungspolitik wurde aufgegeben.
Um 60 n. Chr. besetzen die Römer wieder rechtsrheinisches Gebiet und sichern es ab ca. 80 n. Chr. durch das größte archäologische Bodendenkmal Europas, den Limes. Über 500 km lang mit 1000 Wachttürmen und 60 Kastellen reicht er von der Nähe Koblenz bis nach Eining an der Donau.

Damit lag auch unser Gebiet im römischen Imperium und war eine römische Provinz. Kastelle lagen in Niedernberg, in Obernburg, Seligenstadt und in Miltenberg. Auch die Odenwaldlinie des Limes wurde durch Kastelle z. B. Hainhausen gesichert. Straßen wurden gebaut und an bedeutenden Kreuzungen entwickelten sich größere Siedlungen. Das Römische Dieburg, von dessen antikem Namen nur die drei Buchstuben (Med….) durch den Fund eines römischen Meilensteins bei Langstadt bekannt, ist eine davon.

Um diese Siedlung an einer Straßenspinne gruppierten sich alsbald die typischen römischen Gutshöfe, vergleichbar mit unseren heutigen Aussiedlerhöfen. Sie nutzten die fruchtbaren Lößböden der Dieburger Bucht und versorgten die Städtische Bevölkerung und die Limestruppen mit Nahrungsmittel. Die Gutshöfe waren meistens autark. Ziegel und Kalkbrennerei sowie Töpferei und auch das Schmiedehandwerk sind oft nachweisbar. Angebaut wurde Getreide und Gemüse, ergänzt von Obstwiesen und natürlich der Viehzucht. Auch der Weinbau dürfte damals schon in Groß-Umstadt Eingang gefunden haben.
Eine solche Besiedlung ist natürlich nur durch eine entsprechende Infrastruktur möglich – durch Straßen. Noch heute lassen sich in unserem Raum römische Straßen im Gelände oder durch Beobachtungen aus der Luft ausmachen. 1988 wurde eine solche Straße in der Nähe des HEAG- Umspannwerks durchbaggert und konnte eingehender untersucht werden. Da oft noch Kies- und Steinschüttungen im Boden verblieben sind, lassen sich solche Straßenverläufe gut aus der Luft verfolgen. Dies gilt besonders in trockenen Sommern, da Getreide über einer solchen Straße durch die besonderen Bodenbedingungen eine hellere Färbung annimmt als in den umliegenden Feldern mit normal, nicht mit Kiesschüttungen durchsetzten Böden. Aber auch im Gelände ist oft der römische Straßenkörper gut zu erkennen. Um die Straßen trocken zu halten wurden sie über das umgebende Geländeniveau aufgeschüttet und dieser Straßendamm ist noch heute zu erkennen. Diese Straßen wiederum führen uns zu den Resten der Siedlungen, die ja logischerweise an den Straßen liegen mussten, um an das Verkehrsnetz angebunden zu sein.

Auch ganz andere Indizien können auf die Spuren der Römer oder andere Hinterlassenschaften der Vergangenheit führen. Es sind Flurnamen. Natürlich hat eine Bauersfamilie die jahrhundertelang mühsam Steine von einem ihrer Äcker klaubte, die sich immer und immer wieder den Pflug beschädigte weil er sich an im Boden steckendem Mauerwerk verfing, nicht von einer römischen „villa rustica“ (Gutshof) gewusst, der da im Acker steckte. Das aber dann aus dem Feld der Stein-, Stock- oder der Scherbenacker wurde, ist angesichts vergangener Mühen verständlich. Interessant sind auch Namen wie Haselacker oder Haselhecken, nicht nur war die Haselmaus bei den Römern eine Delikatesse, man sicherte auch den Hof oft durch undurchdringliche Haselhecken, meist zusätzlich vor der Hofmauer gepflanzt.
Das eine Stelle im Wald wo im Mittelalter schöne Hausteine geholt werden konnten um ein Rathaus oder eine Stadtmauer zu bauen bis heute Steinbuckel heißt ist verständlich, und es wundert nicht wenn sich dort dann eine römische Ansiedlung verbirgt. In den Wäldern sind auch die Erhaltungsbedingungen besser, besonders dann, wenn das Gelände in der Vergangenheit noch nie unter den Pflug genommen wurde. So kann unter manchem Schutthügel durchaus noch mehrlagiges Mauerwerk erhalten sein. Tief in der Erde liegende Keller sind dann mit Sicherheit noch nahezu vollständig vorhanden.

Eine weitere Möglichkeit den Römern auf die Spur zu kommen ist es Baumaßnahmen die Erdeingriffe bedingen zu beobachten. Mauerspuren, Gräber, ehemalige Töpferöfen usw. können praktisch überall auftauchen, oftmals gerade da wo man sie am wenigsten vermutet. Eben hier ist der fachlich versierte Laie gefordert, denn meist werden solche Spuren nicht erkannt und zerstört. Es ist wichtig die zuständigen Landesämter bzw. Personen die Kontakte zu diesen Stellen haben, zu benachrichtigen. Eigenständige Untersuchungen sollten nur nach Absprache mit den zuständigen Behörden erfolgen.

Anfang 1990 tobten orkanartige Stürme über die Bundesrepublik. Dadurch kam es zu schweren Sturmschäden. Auch in unseren Wäldern fielen tausende von Bäumen. Diese Sturmschäden führten im Wurzelbereich der Bäume zu Erdaufschlüssen. Natürlich bot sich hier die Möglichkeit zu archäologischen Untersuchungen. Fündig wurde man im Forst neben der B 45 Richtung Dieburg. In der Nähe einer bereits bekannten römischen Fundstelle kamen im Wurzelbereich eines umgefallenen Baumes Ziegel- und Keramikreste eindeutig römischen Ursprungs zum Vorschein. Auch Teile von verzierten Bodenplatten und Pfeilerziegel für die typisch römische Fußbodenheizung (hypocaustum) wurden gefunden. Da in der Nähe eine Quelle entspringt, die heute einen Löschteich speist, deuten die Spuren auf die Reste eines Badegebäudes, wie sie in römischer Zeit äußerst beliebt waren.

Dies sollte nur ein kleiner Streifzug durch die Möglichkeiten sein, die sich einem fachlich interessierten Laien bieten, um Spuren römischer Geschichte zu entdecken. Ernsthaften Hobbyarchäologen bietet sich außerdem die Möglichkeit in den archäologischen Abteilungen von Geschichtsvereinen mitzuarbeiten. Dort finden sich auch weitere interessierte Leute, die oft schon mit der Materie bestens vertraut sind und für viele Tipps zur Verfügung stehen.